"Der Klimawandel ist in vollem Gange"
Die Münchener Rück rechnet mit der Zunahme
von Naturkatastrophen. Die Schäden waren im Jahr 2007 deutlich
höher als im Vorjahr.
Wenn der Naturkatastrophen-Experte der Münchener
Rück, Peter Höppe, in diesen Tagen über die Ereignisse
des abgelaufenen Jahres spricht, versucht er, bei allen Negativ-Schlagzeilen
nicht den Optimismus zu verlieren. Das ist nicht gerade einfach:
Denn Naturkatastrophen haben nach Schätzungen des Rückversicherers
im abgelaufenen Jahr weitaus größere Schäden angerichtet
als noch 2006. Allein durch Erdbeben, Stürme, Überschwemmungen
und Waldbrände waren weltweit Schäden in Höhe von
75 Milliarden Dollar entstanden - vor einem Jahr waren es noch
50 Milliarden Euro. Doch Höppe sieht auch Chancen. "Die
ambitionierten Ziele zur Rettung des Klimas sind heute eher Wachstumsmotor
- daher glaube ich nicht, dass es hier zu klimabedingten Konjunkturdellen
kommt", sagte Höppe im Gespräch mit der Süddeutschen
Zeitung. Schließlich gehe es gerade für Länder
wie Deutschland "auch darum, über Technologietransfers
Exportmärkte zu bedienen".
Es sind neuartige Produkte, mit denen der Konzern
laut Höppe die Zukunft bewältigen will. Policen, die
heute noch ein Nischenangebot sind und in einigen Jahren zum Standard
gehören könnten. Angebote wie die Kyoto-Multi-Risiko-Police,
mit der Risiken von Unternehmen abgedeckt werden, die in Schwellenländern
in Klimaschutzprojekte investieren, um daraus Emissionszertifikate
zu erhalten. Oder das gemeinsame Projekt mit der Weltbank, die
so genannte Münchener Klima-Versicherungs-Initiative MCII,
die Versicherungslösungen für Entwicklungsländer
entwickelt, damit besonders stark vom Klimawandel betroffenen
Ländern im Fall von Naturkatastrophen besser geholfen werden
kann.
Höhere Belastungen
Ein Blick auf das abgelaufene Jahr zeigt die Dramatik:
Die teuerste Katastrophe war für die Versicherer der Orkan
Kyrill, der Mitte Januar 2007 mit Spitzengeschwindigkeiten von
bis zu 200 km/h vom Atlantik aus über ganz Europa bis nach
Polen, Tschechien und Österreich zog. Allein Kyrill richtete
Schäden in Höhe von zehn Milliarden Dollar an - versichert
davon waren 5,8 Milliarden Dollar, mehr als die Hälfte davon
in Deutschland. Den größten Gesamtschaden richtete
der Münchener Rück zufolge mit 12,5 Milliarden Dollar
das Erdbeben in der japanischen Niigata-Region im Juli an. Die
meisten Opfer forderte der Zyklon Sidr, der im November über
Bangladesch und Indien hinwegfegte und bei dem 3300 Menschen starben.
Für den Meteorologen Höppe, der bei der
Münchener Rück die Geo-Risiko-Forschungsabteilung leitet,
ist daher klar: Der weltweit zweitgrößte Rückversicherer
muss sich für die nächsten Jahre auf eine weiter steigende
Zahl von Naturkatastrophen und höhere Schäden einstellen.
"Der Klimawandel ist in vollem Gange und lässt sich
zumindest in diesem Jahrhundert nicht mehr stoppen, wir können
ihn nur noch begrenzen", meint er. Man sehe "ganz klar
den Trend, dass wir künftig mit höheren Schäden
zu rechnen haben. Die wissenschaftlichen Belege sind da ganz eindeutig."
Vergleicht man die Zahlen von 2007 mit denen des Vorjahres, fällt
vor allem eines auf: Nicht nur die Höhe der Schäden
insgesamt ist enorm gestiegen. Auch die Anteile, die Versicherungen
davon übernehmen müssen, sind größer als
früher.
Empfehlungen für Hausbesitzer
Waren dies 2006 noch 15 Milliarden Dollar, verdoppelte
sich der Wert der versicherten Schäden in diesem Jahr auf
30 Milliarden Dollar. Für Rückversicherer sind dies
Belastungen, die sie an ihre Kunden - also Versicherungsunternehmen
- weiterreichen müssen. "Wir können als Versicherer
damit umgehen, solange wir Preise und Bedingungen für Deckungen
risikoadäquat gestalten und anpassen können", sagt
Höppe. Dies gelte auch für schadensarme Jahre wie 2006.
"Man darf hier einzelne Jahre nicht isoliert sehen, sondern
muss sich den Gesamtverlauf anschauen. Dann sehen wir, dass das
Jahr 2006 ein eher harmloses Jahr war und das abgelaufene 2007
trotz der hohen Schäden voll in den Trend passt."
Auch Risikoforscher wie Höppe werden manchmal
überrascht - in diesem Jahr waren es die starken Überschwemmungen
in Großbritannien fernab von Flüssen und Küsten,
mit denen niemand gerechnet hatte. Lokale Überschwemmungen,
ausgelöst durch extrem starke Regenfälle, werden in
Zukunft zunehmen, glaubt der Forscher. Die Frage sei immer nur:
Wann und wo? "Daher wird es für immer mehr Hausbesitzer
in Zukunft wichtig sein, eine Elementarschaden-Versicherung abzuschließen",
empfiehlt der Münchener-Rück-Manager.
© Süddeutsche
Zeitung vom 28.12.2007