Volkswirtschaftliche Auswirkungen des Klimawandels
Perspektiven für die Versicherungswirtschaft
Die Versicherungswirtschaft fühlt sich in besonderer
Weise durch den Klimawandel herausgefordert. Einerseits gilt es
eine völlig neue Risikosituation zu bewältigen. Anderseits
hat die Versicherungsindustrie seit Jahren eine aktive Rolle in
der Gestaltung der internationalen Klimapolitik übernommen.
Warum der Klimawandel die Versicherungsindustrie
betrifft
Alle Industrien beginnen mit zunehmender Aufmerksamkeit
den Klimawandel zu beobachten. Die prominenten Teilnehmer am World
Economic Forum im Februar 2000 in Davos reihten in einer Abstimmung
dieses Thema zur signifikantesten Herausforderung der Menschheit.
Zusätzlich wurde die Meinung vertreten, dass mangels einer
überzeugenden Aktionsbereitschaft der Politik die Business
Community diese Rolle übernehmen sollte.
Für die Versicherungsindustrie ist die Situation bei den
extremen Wetterereignissen und den dadurch bedingten Schadensfällen
besonders kritisch. Nach den Schätzungen der Munich Re (siehe
andere Beiträge zu diesem Fokus) erhöhten sich in den
vergangenen vier Jahrzehnten die Risken aus wetterbedingten Katastrophenereignissen
um den Faktor 3 bei der Zahl der Schäden, um den Faktor 8
bei der Schadenshöhe und um den Faktor 15 beim versicherten
Schadensvolumen.
Eine Reihe von Anpassungsstrategien werden deshalb im Bereich
der Versicherungswirtschaft sichtbar.
Verbesserung der Risiko-Modellierung und derRisiko-Prognose
An erster Stelle steht eine laufende Anpassung der
Risikobewertung. Ein hoher Aufwand wird in die Verbesserung der
Computermodelle investiert, mit denen die Interaktion zwischen
Klimawandel
und den Risken von Schäden in einen Zusammenhang gebracht
wird. Das Ziel ist eine verbesserte Abschätzung der Höhe
und Wahrscheinlichkeit von Katastrophenereignissen. Denkbar ist,
dass bisherige Hundert-Jahresereignisse zu Zehn-Jahresereignissen
werden und eine neue Risikoklasse, die Mega-Katastrophen, entstehen
lassen. Das bedeutet sowohl signifikante Veränderungen
in der Tariffierung von Prämien als auch im Risikomanagement
des Finanzkapitals.
Alternativer Risiko-Transfer (ART)
Die Versicherungswirtschaft realisiert, dass der eigene
Kapital-Pool nicht ausreichen könnte, um die Höhe und
Risken von großen Katastrophenereignissen abzudecken. Spezielle
Finanzinstrumente
beginnen sich zu entwickeln, die einen Risiko-Transfer in die
gesamte globale Finanzwirtschaft ermöglichen. Ein solches
Finanzierungsinstrument sind Katastrophen-Bonds (Cat-Bonds). Diese
Papiere haben eine vergleichsweise hohe Rendite und ein Risiko,
das nicht mit der globalen Wirtschaftssituation
korreliert ist. Damit eignen sich diese Papiere zur Streuung des
Risikos in einem Wertpapier-Portfeulle. Beim Eintreten eines Schadensfalls
verfällt entweder das Kapital ganz oder zum Teil oder die
Zinszahlungen werden ausgesetzt, um eben das dadurch verfügbar
werdende Kapital zur Schadensabdeckung zu verwenden. Wetter-Derivate
sind ein weiteres Instrument, um die mit extremen Temperatur-
und Niederschlagsereignissen verbundenen Risken in Unternehmungen
abzudecken. Typische Kunden wären die Bauwirtschaft, Tourismusunternehmungen
aber auch Erzeuger von elektrischer Energie aus Wasserkraft, die
die Risken des unterschiedlichen Wasserangebots versichern wollen.
Aktives Engagement in der internationalen Klimapolitik
Die internationale Versicherungswirtschaft hat weiters
bei der Gestaltung der internationalen Klimapolitik eine aktive
Rolle eingenommen. 1995 wurde UNEP-III, die Insurance Industry
Initiative in Kooperation mit dem UN Environment Program, gegründet,
Die teilnehmenden 84 Versicherungsunternehmungen aus 26 Staaten
bekennen sich zu einer aktiven Klimapolitik im Sinne des Kyoto-Protokolls
mit umfassenden Konsequenzen für die eigene Unternehmenstätigkeit.
Beispielsweise ist es ein Widerspruch, wenn die Top-15 Versicherungsgesellschaften
die Mehrheit ihrer Aktien in der Carbon Economy investiert haben,
deren wirtschaftliche Aktivität langfristig extrem negative
Effekte wiederum auf die Versicherungswirtschaft ausübt.
Das hohe Finanzvolumen, das von der Versicherungsindustrie verwaltet
wird, könnte dagegen sehr gezielt zur Innovation und Transformation
der bestehenden Wirtschaftsstrukturen in Richtung einer nachhaltigen
Wirtschaftsentwicklung verwendet werden.
Stefan Schleicher
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