Landwirtschaft diskutiert Konsequenzen aus Klimawandel
Bauern sind Hauptbetroffene und gleichzeitige wichtige
Partner bei Klimaschutz
"Die Landwirtschaft ist vom Klimawandel am stärksten
betroffen und gleichzeitig ein wichtiger Akteur beim Kampf gegen
den Treibhauseffekt, insbesondere durch die Produktion von erneuerbarer
Energie." Dies stellte heute LK-Präsident Hermann Schultes
bei der Klimaschutztagung der Landwirtschaftskammer
Niederösterreich in St. Pölten fest. Im Rahmen der Tagung
wurden die Auswirkungen der Klimaveränderungen auf die agrarische
Produktion dargestellt und die daraus resultierenden Konsequenzen
für die agrarische Produktion aufgezeigt. Die Klimaexpertin
der Universität
für Bodenkultur, Helga Kromp-Kolb, gab zu bedenken, dass
die Landwirtschaft aufgrund der meist kurzen Umtriebszeiten schneller
auf neue klimatische Rahmenbedingungen reagieren könne und
müsse als die
Forstwirtschaft, wo sie eine Änderung der Baumarten-Zusammensetzung
für unbedingt notwendig erachtet. NÖ Agrarlandesrat
Josef Plank bezeichnete Klimaschutz als "Gebot der Stunde"
und verwies auf die zahlreichen Maßnahmen des Landes NÖ
in diesem Bereich.
Heftige Kritik an Greenpeace-Studie
Schultes übte bei der Klimatagung auch heftige
Kritik an der gestern von Greenpeace publizierten Studie, in der
die industrialisierte Landwirtschaft pauschal als "einer
der Hauptverursacher des Klimawandels" bezeichnet wird. "Wenn
in dieser Studie keinerlei Unterscheidung zwischen den einzelnen
Formen der
Landwirtschaft getroffen wird und undifferenziert Behauptungen
aufgestellt werden, dann ist an der Seriosität dieser Aussagen
stark zu zweifeln", sagte Schultes. Wenn es hier etwa heiße,
die Überdüngung führe zu vermehrtem Ausstoß
an Treibhausgasen, dann sei klar festzustellen, dass etwa in Niederösterreich
der Einsatz mineralischer Düngemittel je ha Nutzfläche
seit 1982 um die Hälfte verringert wurde. Und wenn in der
Studie gesagt werde, dass der sinkende Humusgehalt ebenfalls zu
erhöhten Treibhausgas-Emissionen führe, dann sei daran
zu erinnern, dass in Österreich zahlreiche Maßnahmen
im Umweltprogramm ÖPUL (Winterbegrünung usw.) gesetzt
wurden, um hier gegenzusteuern. Auch die sinkenden Rinderzahlen
würden zu einem verringerten Ausstoß an solchen Emissionen
beitragen,
und die von Greenpeace kritisierte Waldrodung finde hierzulande
ebenfalls nicht statt, sondern die Waldfläche nehme im Gegenteil
sogar zu, hielt Schultes fest.
Mit neuem Beratungsschwerpunkt offensiv auf Klimawandel
reagieren
Auf der anderen Seite sei die agrarische Produktion
vom Klimawandel und den zunehmenden Wetter-Extremereignissen massiv
betroffen, gab der LK-Präsident zu bedenken und verwies auf
die Ernteeinbußen der vergangenen Jahre. Die Landwirtschaft
müsse daher insbesondere zwei Strategien verfolgen: die Produktion
auf neue
Rahmenbedingungen ausrichten und - etwa mit der Forcierung der
Biomassenutzung - zum Rückgang der CO2-Emissionen im Energiebereich
beitragen. Durch Maßnahmen in der Produktion (Fruchtfolge,
Bodenbearbeitung, Düngung, Humuswirtschaft usw.) sowie durch
die Steigerung der Energieeffizienz werde noch stärker als
bisher ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet. Gleichzeitig sei
etwa in der
Sorten- und Standortwahl auf die geänderten klimatischen
Bedingungen zu reagieren.
"Diese heutige Tagung ist der Auftakt für
einen neuen Beratungsschwerpunkt der Landwirtschaftskammer. Wir
werden in den Bezirksbauernkammern Arbeitskreise zu diesem Thema
einrichten und verstärkt Möglichkeiten aufzeigen, mit
denen wir die agrarische Produktion sichern und im Bereich erneuerbare
Energie punkten können", unterstrich Schultes. Er gab
in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass Österreich seit
dem Jahr 2004 um EUR 7 Mrd. mehr für den Import fossiler
Energie ausgebe. "Wir schicken damit alle drei Wochen ungefähr
soviel Geld in unsichere Krisenregionen wie die Förderung
der Ökoenergie in Österreich pro Jahr kostet. Im Vergleich
dazu machen auch die dringend notwendigen Sofortmaßnahmen
für Biogasanlagen nur einen Bruchteil dieser Mittel aus",
gab der Präsident zu bedenken.
Kromp-Kolb: Forstwirtschaft muss rechtzeitig auf
Klimaveränderung reagieren
"Der Klimawandel ist ein Faktum, er kann nicht
mehr verhindert, sondern nur mehr gebremst werden", unterstrich
Klimaforscherin Kromp-Kolb. Die Entwicklung der Treibhausgas-Emissionen
in den nächsten 20 Jahren sei durch den Ausstoß in
den vergangenen 20 Jahren schon vorprogrammiert. "Das heißt
aber nicht, dass wir nichts tun können, wir müssen sogar
Maßnahmen zur Verringerung dieser Treibhausgase setzen",
hielt die Expertin fest. Der Agrarsektor spüre die Auswirkungen
der Klimaveränderung unmittelbar und müsse sich darauf
einstellen. In der Landwirtschaft sei es etwa im Ackerbau relativ
kurzfristig möglich, durch entsprechende Sortenwahl zu reagieren.
Viel schwieriger sei dagegen die Situation der Forstwirtschaft,
weil sie in Jahrzehnten denken müsse. Der erwartete Temperaturanstieg,
die Veränderung der Niederschlagsverteilung und mögliche
Hitzeperioden erhöhten die Gefahr von Schadereignissen und
müssten sich daher auf die künftige Baumartenverteilung
auswirken. Besonders ungünstig sei der Klimastress für
die Fichtenkulturen, während die Eiche in höheren Lagen
sogar profitieren könne. Generell sollte die Artenvielfalt
in den heimischen Wäldern gefördert werden, Baumarten
mit hoher Trockentoleranz seien zu bevorzugen. "Es besteht
kein Anlass für Hysterie, die Fortwirte sollten aber rechtzeitig
mit entsprechenden Maßnahmen im Sinne der Erhaltung ihrer
Bestände beginnen", sagte Kromp-Kolb.
Plank: Landwirtschaft auf Kyoto-Kurs
"Die Landwirtschaft ist der einzige Sektor, der
bei der Reduktion der Klima schädigenden Emissionen auf Kyoto-Kurs
ist. Der forcierte Klimaschutz ist aber auch hier ein Gebot der
Stunde", erklärte Landesrat Plank. Einen zentralen Stellenwert
nehme die Energiefrage ein. Niederösterreich sei die Nummer
1 bei Biogas, Ökostrom und Windenergie. Ziel sei es auch
weiterhin, einen breiten Mix bei der Nutzung von Alternativenergie
zu erhalten. Bis 2020 solle der Anteil erneuerbarer Energie von
derzeit 25 auf 50% verdoppelt werden.
Das Land NÖ forciert laut Plank besonders die
Energieberatung in den Bereichen Wärmeerzeugung, Mobilität,
Bauen, Wohnen und Sanieren. Auch bei landwirtschaftlichen Gebäuden
bestehe ein großes
Energiesparpotenzial, so Plank. Er ging in diesem Zusammenhang
auch auf die aktuelle Diskussion über die Novelle zum Ökostromgesetz
ein und forderte eine deutliche Verbesserung der Rahmenbedingungen
für alternative Energieproduktion. Die in den vergangenen
Tagen geäußerte Kritik am "Preistreiber Ökostrom"
bezeichnete Plank als völlig einseitig und unsachlich.
Klimawandel beeinflusst internationale Agrarmärkte
"Der Klimawandel hat auch einen Einfluss auf
die internationalen Agrarmärkte. Durch die Globalisierung
und den Abbau von Marktordnungs-Maßnahmen wie etwa der Intervention
schlagen Ertragsschwankungen direkt auf die Preise der Bauern
und der Konsumenten durch. Diese Schwankungen werden durch den
Klimawandel noch verstärkt und bieten Spekulanten neue Möglichkeiten,
in kurzer Zeit viel Geld zu gewinnen", stellte Ferdinand
Lembacher von der Landwirtschaftskammer Niederösterreich
fest. Die Bauern müssten daher Überlegungen anstellen,
wie sie am besten die klimatischen und die
wirtschaftlichen Risiken begrenzen können.
Im Ackerbau sei die Fruchtfolge eine bewährte
Möglichkeit der Risikostreuung. Die Österreichische
Hagelversicherung wiederum biete mittlerweile ein umfassendes
Paket an versicherbaren Risiken an, das
auch Trockenheit, Frost, Überschwemmung oder Verwehung inkludiere.
Die öffentliche Hand leiste dabei einen entsprechenden Beitrag
zu den Prämien, so Lembacher. Was den Produktabsatz betreffe,
so steige in zunehmend unkalkulierbaren Märkten der Wert
einer Vertragswirtschaft,
allerdings nur, wenn dabei ein vernünftiges Gleichgewicht
an Rechten und Pflichten gesichert sei. Zumindest einen Teil der
Ernte durch Verträge zu sichern, sei jedenfalls empfehlenswert,
beispielsweise
bei Erdäpfeln.
Mit der Zunahme von Preisschwankungen dürften
laut Lembacher auch Absicherungsmöglichkeiten an Terminbörsen
an Bedeutung gewinnen. Die Notierungen dieser Börsen seien
auch eine Entscheidungshilfe für die Festlegung eines optimalen
Verkaufszeitpunktes. Eine bewährte
Möglichkeit der Risikostreuung sei auch ein gemeinsamer Marktauftritt
von Landwirten in Form von Genossenschaften oder Erzeugergemeinschaften.
"Die Bauern sind gefordert, sich sowohl in der Bewirtschaftung
den geänderten klimatischen Verhältnissen anzupassen
als auch im Management und in der Vermarktung entsprechend Vorsorge
zu treffen", betonte der Experte.
AIZ - Agrarisches Informationszentrum, Pressedienst,
Jänner 2008